Von „kein Bock“ zu „Au ja!“
So nimmst du Einfluss auf die Lernmotivation deiner Schülerinnen und Schüler

Wenn Kinder unmotiviert sind, können Förderung und Lerntherapie eine echte Herausforderung werden.

Zum Glück gibt es aus der Forschung schon hilfreiche Erkenntnisse dazu, worauf es ankommt, um Motivation für das Lernen zu wecken und zu erhalten. Deshalb nehmen wir die Motivation in diesem Artikel mal genauer unter die Lupe!

Du erfährst zum Beispiel:

  • was die Forschung bisher schon über die Motivation herausgefunden hat
  • warum intrinsiche und extrinsische Motivation keineswegs einfach Gegensätze sind
  • dass Motivation unterschiedliche Qualitäten haben kann und wie wir sie beeinflussen können und
  • welche drei Grundbedürfnisse der Kinder wir erfüllen müssen, um ihre Motivation zu steigern.

 

Zum Schluss geben wir dir fünf hilfreiche Tipps, wie du mit einfachen Maßnahmen auf die Erfüllung dieser Grundbedürfnisse hinwirken kannst, um so die Motivation deiner Schülerinnen und Schüler zu verbessern.

Bild: Skadr Getty Images/Canva

Und so geht's weiter:

Kein Bock!

Stell dir folgende Situation vor:

Du hast einen Schüler, mit dem du schon länger an einem bestimmten Thema arbeitest. Obwohl du alles schon oft mit ihm durchgegangen bist, fällt es ihm schwer, die Zusammenhänge zu verstehen. Oft hat er das, was du ihm in den Stunden zuvor schon mehrfach erklärt hast, beim nächsten Mal wieder vergessen. 

Du hast dir schon alles Mögliche überlegt und viel Zeit am Kopierer verbracht, um ihm immer wieder neue Materialien anbieten zu können. Aber du merkst, dass seine Motivation mehr und mehr schwindet. „Können wir mal was anderes machen?, fragt er dich nun: Ich hab´ da heute keinen Bock drauf.“

Vielleicht hast du solche oder ähnliche Situationen auch schon erlebt. 

Sie können frustrierend und kräftezehrend sein – weil du dir viele Gedanken gemacht und Zeit und Energie investiert hast, ohne dass etwas dabei herauszukommen scheint. 

„Wie kann ich dieses Kind bloß motivieren?“, ist vielleicht der Gedanke, der sich dir dann immer häufiger aufdrängt. 

Doch was ist es eigentlich genau, was Menschen, Kinder wie Erwachsene, motiviert?

Welche Bedingungen sind es, die uns dazu bringen, uns manchen Dingen mit Hingabe und Begeisterung zuzuwenden, während andere in uns Widerstand auslösen, wir sie vor uns herschieben und es uns so viel mehr Kraft kostet, sie anzupacken? 

Blackbox Motivation?

Tatsächlich ist die Motivation ein Bereich der Lernforschung, der bereits im Rahmen von unterschiedlichen Studien sehr gründlich erforscht wurde! 

Und weil diese Forschung für unsere Arbeit sehr wichtige Erkenntnisse mit sich bringt und uns ganz konkrete, praktisch umsetzbare Hinweise dazu liefert, wie wir die Bedingungen in Lernsituationen so verändern können, dass die Motivation der Kinder geweckt und aufrechterhalten wird, wollen wir sie hier unbedingt einmal genauer unter die Lupe nehmen.

Los geht’s:

Eine ganz wesentliche, grundlegende Erkenntnis aus der Forschung ist, dass Motivation sich sowohl in Bezug auf ihre Quantität – d.h. ihre Stärke –, als auch in Bezug auf ihre Qualität betrachten lässt. 

Bezüglich ihrer Qualität lassen sich verschiedene Formen der Motivation unterscheiden, von denen du ganz sicher auch schon gehört hast: die intrinsische Motivation und die extrinsische Motivation.

Dabei wird die intrinsische, d.h. „innere“ Motivation oft als das Ideal angesehen: 

Die intrinsische Motivation speist sich ganz alleine aus der Person selbst, ohne jegliche Anreize von außen. Sie entsteht durch „innere“ Faktoren wie Interesse, Spaß und Sinnerleben und gründet somit auf der Freude an der Handlung selbst.

Wer intrinsisch motiviert ist, zeigt eine große Ausdauer und ist besser in der Lage, auch bei Herausforderungen kreative Problemlösungen zu entwickeln.

Ein gutes Beispiel dafür ist ein Kind, das ausdauernd an einem Bauklotzturm tüftelt. Sein Ziel: Ein Turm so hoch wie der Schrank! Immer wieder stürzt sein Bauwerk ein. Aber das Kind gibt nicht auf, es möchte es unbedingt schaffen! Ermutigung oder Anreize von außen braucht es nicht, denn sein selbst gestecktes Ziel ist ihm Ansporn genug UND – das ist entscheidend für die intrinsische Motivation – es hat Spaß an seinem Tun! Diese Freude am Tun wird zum Motor seiner Bemühungen – bis der Turm nach langem Probieren schließlich steht.

Extrinsische Motivation entsteht dagegen durch äußere Faktoren wie z.B. Belohnung oder auch drohende negative Konsequenzen (Sanktionen, Bestrafung).
Und sie ist im Gegensatz zur intrinsischen Motivation „instrumentell“, d.h. auf das
Ergebnis ausgerichtet (nicht auf das Tun selbst). Das heißt: Bei der extrinsischen Motivation geht es darum, ein bestimmtes Ergebnis entweder zu erreichen oder zu vermeiden.

Dafür können wir unser Beispiel weiterdenken:
Nachdem das Kind mit dem Bauen fertig ist und seine Mutter ihm später klar zu verstehen gegeben hat, dass der Turm da so mitten im Zimmer aber leider nicht stehen bleiben kann, empfindet das Kind leider wenig intrinsische Motivation, sein Bauwerk und all die anderen im Zimmer verstreuten Sachen wieder aufzuräumen. Vielleicht stellt die Mutter dem Kind deshalb eine Belohnung in Aussicht, wenn es sein Zimmer aufgeräumt hat, z.B. „Wenn du aufgeräumt hast, koche ich uns beiden einen Kakao und wir machen es uns gemütlich.“ Vielleicht sagt sie aber auch: „Wenn du nicht aufräumst, darfst du nachher keinen Film mehr schauen!“

Auch wenn das Kind nun wahrscheinlich keine große Freude aus dem Aufräumen zieht, hat der Motivierungsversuch der Mutter funktioniert – denn das Kind möchte die Belohnung „gemütlich Kakao trinken“ erreichen oder aber die Bestrafung „keinen Film mehr schauen dürfen“ vermeiden.

Intrinsische und extrinsische Motivation

Auch wenn es auf den ersten Blick so erscheint: Intrinsische und extrinsische Motivation sind keine Gegensätze!

Die Motivationsforscher Edward L. Deci und Richard M. Ryan haben auf der Grundlage ihrer Forschung ein Modell entwickelt, das die intrinsische und extrinsische Motivation als Pole einer Skala mit unterschiedlichen Abstufungen verdeutlicht. Gemäß ihrer berühmten „Selbstbestimmungstheorie der Motivation“ hat die extrinsische Motivation verschiedene Ausprägungen, die sich Stufe für Stufe immer mehr der intrinsischen Motivation annähern. Deci und Ryan unterscheiden dabei vier Abstufungen:

Die niedrigste Stufe der extrinsischen Motivation ist die externe Regulation, die sich durch eine vollkommene Fremdbestimmung auszeichnet: Etwas wird nur deshalb getan, weil man dazu angewiesen wurde und eine Belohnung oder Bestrafung damit verknüpft wurde – wie in unserem letzten Beispiel durch die Mutter.

Die nächste Stufe ist die Introjektion, bei der die Belohnung oder Bestrafung nicht mehr von außen, sondern von der Person selbst gesetzt wird. Das schlechte Gewissen, das sich einstellt, wenn wir etwas aufschieben, das wir eigentlich tun sollten, gehört zum Beispiel in diesen Bereich. 

Bei der Identifikation hat das Ergebnis der Handlung eine persönliche Relevanz. Beim Beispiel des Kindes, das sein Zimmer aufräumen soll: Das Kind hat zwar keine Lust dazu, aber es sieht ein, dass es sinnvoll ist, zumal es sich einen Freund zum Übernachten eingeladen hat und es dann Platz zum Spielen haben möchte.

Die letzte Stufe der extrinsischen Motivation ist schon recht nah dran an der intrinsischen Motivation: Bei der Integration ist das Ziel der Handlung im Einklang mit den eigenen Werten: Das Aufräumen macht zwar immer noch keinen Spaß, aber man findet es richtig und sinnvoll, weil man selbst einen gewissen Anspruch an Ordnung hat.

Wie du siehst, gibt es also deutliche, qualitative Unterschiede in diesem Spektrum (Deci und Ryan nennen es Kontinuum) der verschiedenen Motivationsformen. In Bezug auf das Lernen haben Deci und Ryan dazu Wichtiges herausgefunden: 

Ob Kinder erfolgreich lernen, hängt weniger von der Stärke ihrer Motivation ab, als vielmehr von der Qualität ihrer Motivation!

Nicht die Stärke der Motivation, sondern ihre Qualität ist entscheidend!

Nun ist schwer vorstellbar, dass ein Kind mit dem drängenden Bedürfnis in die Förderstunde oder die Lerntherapie kommt, die Bruchrechnung einmal intensiv von vorne bis hinten zu durchdringen und zwar ohne, dass dies gerade im Unterricht Thema ist, ohne, dass es Erwartungen dazu von außen gibt und ohne, dass diese Anstrengung in irgendeiner Form honoriert würde – kurz: es ist in Bezug auf die Bruchrechnung wohl kaum intrinsisch motiviert. 

Sehr viel wahrscheinlicher befinden wir uns also mit unseren Lerninhalten und den Schülerinnen und Schülern irgendwo auf dem beschriebenen Kontinuum. Aber natürlich wäre es fantastisch, wenn die Motivation dabei möglichst nahe an den Pol der intrinsischen Motivation heranrücken würde! 

Aber wie können wir das erreichen?

Erfreulicherweise hat die Forschung darauf klare Antworten gefunden:

Deci und Ryan fanden im Rahmen ihrer Studien heraus, dass die qualitative Ausprägung der Motivation davon abhängt, inwieweit drei wesentliche psychologische Grundbedürfnisse erfüllt sind. Je höher der Grad der Befriedigung dieser drei Grundbedürfnisse ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es zu einer Integration extrinsischer Motivation kommt oder sogar intrinsische Motivation entsteht.

Rein extrinsische Motivation kann also in qualitativ „bessere“ Motivationsformen im Kontinuum überführt werden.

Und zwar indem wir Bedingungen schaffen, in denen die drei von Deci und Ryan herausgearbeiteten Grundbedürfnisse erfüllt werden.

Welche Grundbedürfnisse das sind, erfährst du hier.

Drei Grundbedürfnisse als Voraussetzung für Motivation

Nach Deci und Ryan können wir die Qualität der Motivation also beeinflussen, wenn folgende drei, ganz wesentliche psychologische Grundbedürfnisse erfüllt sind:

1. Autonomie

Ein höheres Maß an intrinsischer Motivation kann entwickeln, wer seine Lernsituation mitgestalten kann und Selbstbestimmung erlebt. 

Viele Lernsituationen in der Schule sind sehr stark von außen reguliert und bieten wenig Gestaltungsspielraum für die Schülerinnen und Schüler. Tatsächlich aber sind vor allem die Momente im Lernen besonders motivierend, die ein hohes Maß an Autonomieerleben bieten. Momente also, die als wenig oder gar nicht fremdbestimmt erlebt werden.

Im Kontext von Schule, Förderung und Lerntherapie erscheint dies auf den ersten Blick nur bedingt umsetzbar. Würden wir daraus den Schluss ziehen, dass wir es nun den Kindern selbst überlassen, womit sie sich beschäftigen, dann wäre der Einwand gerechtfertigt, dass die Kinder damit sowohl alleingelassen als auch überfordert wären. Denn wie sollen sie beurteilen, was wichtig ist und warum und vor allem wie sie sich Inhalte erarbeiten sollen?

Aber:

Mitbestimmung und Gestaltungsfreiräume können wir auch in Lernsituationen ermöglichen, deren äußerer Rahmen und deren inhaltliche Ziele von uns vorgegeben werden.

Das ist übrigens ein Aspekt, der uns in unserem Verständnis von Selbstentdeckendem Lernen besonders wichtig ist:

Der Rahmen, in dem sich die Kinder forschend und entdeckend in ihrem eigenen Tempo und mit ihrem individuell notwendigen Maß an Anleitung mit dem Lerngegenstand beschäftigen, wird dabei von uns Fachkräften, den Pädagog*innen oder Lerntherapeut*innen, gesteckt.

Darüber hinaus können wir den Kindern, vor allem in spielerischen Lernsituationen, aber auch immer wieder die Möglichkeit geben, das Geschehen aktiv mitzugestalten. Das ist schon durch Kleinigkeiten möglich, wie z.B. wenn ein Kind entscheiden darf, welche Regeln für ein Spiel gelten sollen.

2. Kompetenzerleben

Dem Idealzustand der intrinsischen Motivation kann sich annähern, wer sich in seinem Handeln als kompetent erlebt

Das bedeutet, dass ein Kind Zutrauen hat, den Anforderungen einer Aufgabe aus eigener Kraft gewachsen zu sein, dass es Erfolge seinem eigenen Können zuschreibt (und nicht etwa Zufällen oder einer wohlwollenden Bewertung), dass es eine Sinnhaftigkeit in dem erkennt, was es tut, und dass es einen Fortschritt erlebt. 

Es geht also um ein hohes Selbstwirksamkeitserleben! Um das Gefühl, den Lernerfolg selbst effektiv beeinflussen zu können.

Für uns heißt das: 

Wir müssen Lernsituationen gestalten, die diese Kompetenzerfahrungen ermöglichen!

Dafür müssen wir allerdings sehr genau wissen, was konkret die Anforderungen des Inhalts sind und auch, welche Kompetenzen und Vorstellungen unsere Schüler und Schülerinnen mitbringen. Nur so können wir eine Situation gestalten, die die Kinder fordert, aber nicht überfordert. Nur so können wir wissen, wie viel Anleitung notwendig ist und wo wir den Kindern die Möglichkeit bieten können, Zusammenhänge selbst zu entdecken.
In der Psychologie wurde dafür nach Lev Wygotski der Begriff „Zone der nächsten Entwicklung“ geprägt. Er ist eng verbunden mit dem pädagogischen Prinzip des 
Scaffolding(dt. Gerüstbau). Beim Scaffolding geht es darum, den Kindern, je nachdem, welches Vorwissen oder welche Fähigkeiten sie bereits mitbringen, unterschiedlich viel Anleitung für ihren nächsten Entwicklungsschritt zu geben. Die Differenzierung in der Unterstützung besteht also nicht in der Aufgabenstellung, sondern im Grad der Anleitung: Während ein Kind beispielsweise schon anhand einer Fotoanleitung ein Papierboot falten kann, benötigt ein anderes eine persönliche Begleitung, indem du parallel jeden einzelnen Schritt vormachst.

Eine ganz wesentliche Bedeutung für das Erleben von Kompetenz hat übrigens auch das Feedback, das wir dem Kind in Bezug auf seine Lernfortschritte geben. Hebt es die Aspekte hervor, die von dem Kind beeinflussbar sind? Etwa seine Anstrengung oder Geduld? Oder ist es so allgemein, dass das Kind daraus gar nicht ableiten kann, was genau zu seinem Erfolg geführt hat, wie etwa bei einem Lob wie „Das hast du super gemacht!“

3. Soziale Eingebundenheit

Das Gefühl sozialer Zugehörigkeit spielt eine entscheidende Rolle für die Ausprägung der Motivation. 

Lernen findet in Schule und Lernförderung immer in einem sozialen Kontext statt. Die Kinder lernen gemeinsam und voneinander und in Beziehung mit uns als ihren Lehrkräften oder Lerntherapeut*innen. Für die Qualität ihrer Motivation, sich (auch herausfordernden) Lerninhalten gegenüber zu öffnen, Neugierde zu entwickeln und Unterstützung anzunehmen, spielt es eine entscheidende Rolle, wie sicher sie sich dabei mit anderen verbunden fühlen und wie sehr sie das Gefühl haben, für diese Menschen auch eine Bedeutung zu haben. 

Nur in einer Lernumgebung, die von Wertschätzung und Anerkennung geprägt ist, in der die Kinder Zuspruch erfahren und sich gesehen fühlen, in der sie Fehler machen dürfen und nicht nur das Ergebnis gewertschätzt wird, sondern auch die Anstrengung, Geduld und Beharrlichkeit auf dem Weg dorthin, kann Motivation wachsen

Angst davor, Fehler zu machen oder zu scheitern, ausgegrenzt oder gar gemobbt zu werden und ganz besonders Bloßstellung und Scham sind hingegen wahre Motivationskiller. 

Es ist unsere Verantwortung, ein Lernsetting zu schaffen, in dem sich die Kinder sicher, wohl und gewertschätzt fühlen, und zwar indem sie positive Beziehungen erleben – nicht nur zu anderen Kindern, sondern auch zu uns!

Auf einen Blick: Die wichtigsten Erkenntnisse der „Selbstbestimmungstheorie der Motivation“

Fassen wir zusammen: 

Die „Selbstbestimmungstheorie der Motivation“ nach Deci und Ryan liefert uns ganz wichtige Erkenntnisse und Impulse für unser pädagogisches und therapeutisches Handeln: 

Motivation kann mehr oder weniger stark sein und sie kann unterschiedliche Qualitäten haben.

Aber: Auch eine rein extrinsische Motivation, die nur auf externer Regulation, also auf Belohnung oder auch negativer Konsequenz fußt, ist erst einmal nicht einfach nur „schlecht“. Es kann sein, dass wir mit manchen Kindern oder in manchen Lernsituationen sogar so starten müssen.

Zum Beispiel: Ein Kind lernt nur deswegen für eine Arbeit, weil seine Eltern bei guten Noten eine Belohnung in Aussicht gestellt haben oder ein Kind lässt sich zunächst nur deshalb auf die Lerntherapie ein, weil seine Eltern sonst eine in Aussicht gestellte Unternehmung streichen.

Ganz wichtig aber ist es, dort nicht stehen zu bleiben!

Denn Belohnung und Bestrafung ermöglichen langfristig kein effektives Lernen, sie beschränken die Autonomie und können sogar eine bestehende intrinsische Motivation „korrumpieren“ (vgl. Marc Lepper, siehe Quellenangabe unten).
Mit diesen Methoden kommen wir also früher oder später in eine Sackgasse. Sie können maximal Ausgangspunkt sein. Ziel muss es sein, diese ungünstige und langfristig ineffektive Motivationsform in Richtung einer „besseren“ Motivationsform zu verändern.

Eine Annäherung an die intrinsische Motivation kann nur befördert werden,
wenn die drei wichtigen psychologischen Grundbedürfnisse der Autonomie, des Kompetenzerlebens und der sozialen Eingebundenheit erfüllt sind.
Auf alle drei Bereiche können wir in Lernförderung und Schule Einfluss nehmen! 

Diese drei Grundbedürfnisse sollten wir IMMER fest im Blick halten!
 

Wir können das Autonomieerleben der Kinder stärken, indem wir ihnen Möglichkeiten geben, ihr Lernsetting mitzugestalten und indem wir ihre Ideen und Meinungen hören, wertschätzen und mit einbeziehen.
Wir können ein Setting schaffen, in dem sie weder über- noch unterfordert sind und Erfolge für sie sichtbar werden, sodass sie sich als kompetent und selbstwirksam erleben können.
Und wir können aktiv eine persönliche, auf Vertrauen basierende Beziehung gestalten, in der sie sich akzeptiert und zugehörig fühlen. 

Und wie schaffen wir das konkret?

Hier sind fünf konkrete Ideen für erste Schritte, mit denen du schon im Kleinen Autonomie, Kompetenzerleben und soziale Eingebundenheit ermöglichst und so positiven Einfluss auf die Lernmotivation deiner Schülerinnen und Schüler nehmen kannst.

Icon Glühbirne

Fünf leicht umsetzbare Tipps für mehr Motivation

#1 - Verzichte auf Lob

Auch wenn es gut gemeint ist: Lob schwächt das Autonomieerleben! Es bringt nicht nur eine Bewertungsebene in die Beziehung (denn wer lobt, urteilt) – Lob unterwandert auch das Entstehen von „günstigeren“ Motivationsformen, weil es das Kind auf der Stufe der externen Regulation hält. 

Man könnte auch sagen:
Lob kann die Motivation maximal
kurzfristig steigern. Auf lange Sicht ist es keine geeignete Maßnahme, um die Motivation von Kindern zu verbessern.
Darum: Versuche (auch wenn es schwer fällt), möglichst auf Loben zu verzichten! Gib stattdessen Feedback!

#2 - Gib konkretes Feedback

Gib dem Kind konkrete Rückmeldungen zu seinen Erfolgen und achte darauf, dass du auch benennst, auf welchen internen, also in dem Kind begründeten Faktoren seine Fortschritte fußen – zum Beispiel auf seinem fleißigen Üben zu Hause, seinem Dranbleiben oder den klugen Gedanken, die das Kind sich bei eurer Auseinandersetzung mit einem Lerninhalt gemacht hat. 

Ebenso wichtig: Lege bei deinem Feedback den Schwerpunkt nicht auf Eigenschaften oder Begabungen des Kindes, sondern darauf, wie das Kind diese einsetzt – so erlebt das Kind, dass es Einfluss auf seine Lernentwicklung hat und dass es seinen Lernprozess selbst aktiv mitgestalten kann. Dabei geht es manchmal um Feinheiten: Statt „Du hast an alles gedacht.“ besser: „Du hast die Fragestellung wirklich gründlich gelesen, deshalb konntest du sie so genau beantworten.“

#3 - Stecke erreichbare Ziele

Sowohl zu leicht erreichbare als auch zu weit entfernte Ziele wirken sich negativ auf das Kompetenzerleben und damit auch auf die Motivation von Kindern aus: Bei zu einfachen Herausforderungen fühlen sich die Kinder nicht ernst genommen und befürchten womöglich sogar, dass du ihnen nur wenig zutraust. Zu schwierige Herausforderungen dagegen erzeugen ein „Das schaffe ich sowieso nicht“-Gefühl.

Definiere darum Ziele, die zu erreichen das Kind sich auch zutraut. Denn die Erwartungen des Kindes an sich selbst haben nicht nur erheblichen Einfluss auf seinen Lernerfolg (wie John Hattie in seiner großen Metastudie nachgewiesen hat), sondern auch auf seine Motivation!

UND: Wenn sich das Kind dann im erfolgreichen Erreichen seiner Ziele als kompetent erlebt, steigert das ebenfalls die Motivation – und stärkt für zukünftige Lernherausforderungen.

#4 - Mache die Lernentwicklung und Erfolge des Kindes sichtbar

Damit das Kind sich seinen Lernschwierigkeiten nicht ohnmächtig ausgeliefert fühlt (denn das schwächt sein Selbstwirksamkeitsempfinden und sein Selbstwertgefühl), ist es so wichtig, dass du ihm seine Lernentwicklung und seine Erfolge sichtbar machst. Das kannst du vor allem auf zwei unterschiedliche Weisen tun:

Lernweg visualisieren:

Entwickle mit dem Kind Visualisierungen für seinen Lernweg, ganz egal in welcher Form.
Das kann z.B. das Bild eines Berges sein, den ihr gemeinsam erklimmt. Auf den Gipfel malt ihr eine Fahne und schreibt das Lernziel hinein. Unterwegs markiert ihr als „Etappen“ mit kleinen Fähnchen verschiedene Teilziele, die das Kind auch Schritt für Schritt als „erledigt“ markieren kann. So sieht das Kind seinen Lernprozess in überschaubare Teilschritte unterteilt und kann so stets für sich einordnen, an welchem Punkt es gerade steht. Aus einer solchen Visualisierung kann es nicht nur ableiten, welche Lernschritte noch kommen, sondern kann auch auf das bereits Geschaffte zurückblicken.

Natürlich sind auch jede Menge andere Arten von Visualisierungen möglich – vielleicht malt ihr für die verschiedenen Stufen eines Lesetrainings Inseln, die ihr nach und nach bereist, macht einen „Rundgang durch Zahlenhausen“, in dem es für jede Zahl, deren Zerlegungen ihr übt, ein eigenes „Haus“ gibt oder ihr macht eine „1×1-Rallye“… Eurer Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt! Und das Kind kann hier wunderbar mitgestalten (Autonomie!).

Selbsteinschätzung im Verlauf:

Die eigene Entwicklung wird auch gut mit Hilfe von Selbsteinschätzungen sichtbar. 

Dazu erfragst du im Rahmen von Reflexionsgesprächen, wie das Kind sich in Bezug auf einen bestimmten Lerninhalt selbst einschätzt. Ein hilfreiches Werkzeug dafür können Skalen von z.B. 0-10 sein: Wir kleben dafür z.B. gern mit Malerkrepp-Klebeband einen Streifen auf den Boden (oder den Tisch) und beschriften diesen mit den Ziffern 0-10. Das Kind kann dann die jeweiligen, auf Zetteln notierten Lernthemen den Zahlen auf der Skala zuordnen kann. Die Zuordnung wird dann (z.B. mit einem Foto) festgehalten. 

Wenn du diese Reflexion dann nach einer gewissen Zeit wiederholst, könnt ihr vergleichen – was hat sich verändert?
Die Erfolge werden so auch für das Kind deutlich sichtbar: „Schau mal, vor drei Monaten hast du die 7er-Reihe noch bei der 2 auf der Skala eingeordnet – jetzt hast du sie zur 9 gelegt! Das Üben hat sich gelohnt – du bist damit wirklich sicher geworden!“

#5 - Integriere Möglichkeiten der Mitbestimmung in deine Lernsituationen

Es ist wichtig, dass du das Lernziel vor Augen hast und die dafür geeigneten Materialien gezielt aussuchst. Damit steckst du den Rahmen ab, innerhalb dessen die Kinder Möglichkeiten zur Mitgestaltung bekommen können. Versuche, Freiräume zu schaffen. Selbst wenn sie klein sind, können sie eine große Wirkung haben und dazu beitragen, dass die Kinder sich nicht fremdbestimmt fühlen!

Stelle z.B. Materialien zur Verfügung, mit denen die Kinder Zusammenhänge selbst entdecken können. 

Lass sie eigene Lösungsansätze entwickeln und Dinge ausprobieren, auch wenn sie dabei Fehler machen. Fehler sind wichtige Schritte im Lernprozess!* 

Stelle, wo es passt, verschiedene Materialien zur Verfügung. Damit signalisiert du den Kindern, dass es manchmal verschiedene Wege zu einem Ergebnis gibt und sie frei darin sind, einen Weg zu finden, der sie weiterbringt. 

Überlege, an welcher Stelle auch kreative Ideen der Kinder berücksichtigt werden können, etwa bei der Festlegung von Regeln zu einem Spiel, der Gestaltung von Merkblättern oder dem Abschluss einer Förderstunde – das alles sind Kleinigkeiten, die aber einen großen Effekt auf das Gefühl der Selbstbestimmtheit und damit auf die Motivation haben!

* Falls dich das Thema „Umgang mit Fehlern“ interessiert, findest du >> hier einen spannenden Blogartikel dazu.

Quellen:

Edward L. Deci, Richard M. Ryan (2000): The what and why of goal pursuits: Human needs and the self-determination of behavior. Psychological Inquiry, 11 (4), S. 227-268

Edward L. Deci, Richard M. Ryan (1993): Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39 (2), S. 223-238

Mark R. Lepper, David Greene, Richard E. Nisbett (1973): Undermining childrens intrinsic interest with extrinsic reward: A test of the overjustification hypothesis. Journal of Personality and Social Psychology, 28 (1), S. 129- 137

John Hattie (2024): Visible Learning 2.0. 1. Auflage. Übersetzt von Stephan Wernke und Klaus Zierer. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren

Benedikt Wisniewski (Moderator). (2022, 12.10.): Motivation – In: Psychologie fürs Klassenzimmer (Audio Podcast)

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Übrigens...

In die Gestaltung der Förderstunden unserer Rechtschreib-Expedition sind diese Erkenntnisse aus der Motivationsforschung maßgeblich eingeflossen.
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